Ziele, Anreize und Zielvereinbarungen

Nachdem wir uns im letzten Beitrag mit der stärker Ich-bezogenen Sicht und der kreativeren Findungsphase von Zielfindung und Zielbildung befasst haben, möchten wir nun den Fokus auf das Operationalisieren und Vereinbaren von Zielen sowie auf die korrespondierenden Anforderungen in einer Organisation richten und unsere diesbezüglichen Erfahrungen mit Ihnen teilen.

 

Führen mit Zielvereinbarungen

Management by Objectives (MbO), hier verstanden als Führen mit persönlichen Jahreszielen, ist ein weitverbreiteter, viel diskutierter Managementansatz. Ohne diese Diskussion hier wiedergeben zu wollen, können wir feststellen, dass Zielvereinbarungen ein in der Praxis etabliertes Führungsinstrument darstellen.

Der Vereinbarung von Zielen geht eine Grundsatzfrage voraus, nämlich: Sollen Ziele vereinbart oder vorgegeben werden? In dieser Frage sprechen wir klar die Empfehlung für eine gemeinsame Diskussion und Vereinbarung von Zielen aus. Das hat folgende Gründe:

  • Verständnis und Orientierung
    Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Orientierung über die grundsätzlichen Absichten und die prinzipielle Marschrichtung für das kommende Jahr zu geben, ist notwendige Voraussetzung für zielgerichtetes Arbeiten. Je unkonkreter (qualitativer) oder widersprüchlicher einzelne Ziele sind, umso wichtiger werden eine fundierte Begründung und eine detaillierte Erläuterung. Dazu ist zumindest eine Information erforderlich.
    Besser als die reine Information ist jedoch eine Diskussion, da so auch Fragen beantwortet und Missverständnisse ausgeräumt werden können. Können die Beteiligten dadurch die Ziele, Absichten und Maßnahmen nachvollziehen und verinnerlichen, dient dieses Verständnis in Fällen nicht geregelter Fragen trotzdem als Orientierung und kann Selbststeuerung ermöglichen.

 

  • Motivation
    Aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen, falls sie in Ideenentwicklung und Entscheidung eingebunden werden (Partizipation), sich wesentlich stärker mit den Festlegungen identifizieren. Diese höhere Identifikation wiederum motiviert Menschen deutlich, sich stärker für die Umsetzung und Erreichung der so definierten Ziele und Maßnahmen zu engagieren.

 

  • Ergänzung und Optimierung
    In der Regel kennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben, die Prozesse sowie die damit verbundenen Mängel und Verbesserungspotenziale am besten. Daher liefert die gemeinsame Diskussion der Herausforderungen und Ziele zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bzw. Team nicht nur Erkenntnisse für die Mitarbeiter, sondern auch für das Management: Die Führungskraft erhält dadurch Einblicke in die Ressourcen und Restriktionen, in Chancen und Risiken, die sonst nicht möglich gewesen wären. Eine solche Diskussion ist das beste Mittel, um die gegenseitigen Erwartungen und Überlegungen kennen zu lernen. Sie verbessert nicht nur das gegenseitige Verständnis, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Ergebnis der Zieldefinition und -vereinbarung. (Selbiges gilt im Rahmen der Planung.)

 

  • Verantwortung
    Die höhere Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit partizipativ vereinbarten Zielen hat neben der höheren Motivation auch den Effekt einer intensiveren Verantwortungsübernahme durch den Betreffenden. Dieses verantwortlich Fühlen hat eine stärkere Auswirkung auf das Erreichen der gesteckten Ziele als das reine (vereinbarte oder gar verordnete) verantwortlich Sein.

 

Auch wenn sehr viel für eine transparente Erläuterung und eine intensive Diskussion der Ziele spricht, darf die klare Präferenz für eine Mitarbeiterpartizipation nicht als Dogma verstanden werden. Denn im unternehmerischen Kontext ist und bleibt Partizipation ein Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. So führt zu wenig Partizipation zu einem Mangel an Verantwortung, zu viel Partizipation kann im Gegenzug jedoch zu einem Mangel an Leistung führen. Und letztlich müssen Ziele im Falle einer Nichteinigung vorgegeben werden. Denn am wichtigsten ist, dass überhaupt Ziele da sind.

 

Prozess der Zielvereinbarung

Die langfristigen Ziele eines Unternehmens geben der Organisation und ihren Mitgliedern Orientierung und Richtung. Jahresziele bestimmen, wie, wie schnell und wie wirksam diese langfristigen Ziele realisiert werden.

Die Detaillierung und Operationalisierung von Zielstellungen zu umsetzbaren Zielen ist anspruchsvoll und arbeitsintensiv: die Ziele sind so weit zu durchdenken, auszuarbeiten, zu präzisieren und zu diskutieren, bis sie praktisch umsetzbar werden und ihre Funktion als Führungs- und Steuerungsinstrument erfüllen können. Diese Tätigkeit ist eine originäre Führungsaufgabe – sie kann nicht delegiert werden.

Für den Prozess der Operationalisierung und Vereinbarung von Zielen sind aus unserer Erfahrung folgende (über die im vorherigen Beitrag erläuterten Fragestellungen der Zielfindung und -bildung hinausgehende) Aspekte hilfreich:

  • Quantifizieren Sie Ziele!
    Am leichtesten sind Ziele (prinzipiell) erreichbar und messbar, je präziser, konkreter und detaillierter sie beschrieben sind – idealerweise quantitativ oder smart (spezifisch, messbar, ansprechend, realistisch und terminiert). Sollte dies nur eingeschränkt oder nicht möglich sein, muss zumindest der Versuch unternommen werden. Wichtig ist die größtmögliche Präzisierung – und sei es über die Beschreibung angestrebter Endzustände („Woran können wir feststellen, ob wir dem Ziel nähergekommen sind oder nicht?“). Das Minimum der Quantifizierung ist zumindest eine Frist oder ein Termin.
    Dem Trugschluss, dass nicht quantifizierbare Ziele nicht wichtig sind, sollten wir nicht unterliegen. Denn je wichtiger ein Ziel im Grundsatz ist, desto weniger ist es typischerweise quantifizierbar. Gerade diese Ziele erfordern Erfahrung, Urteilskraft und unternehmerischen Umgang mit Risiken, also professionelles Management.

 

  • Vereinbaren Sie notfalls Maßnahmen!
    Grundsätzlich sollten Sie Ziele vereinbaren. Aber dort, wo sich Ziele nicht hinreichend konkretisieren lassen, kann die Vereinbarung von Maßnahmen sinnvoll sein. Dies ist dann der Fall, wenn mit allgemeiner Lebens-, Prozess- oder Managementerfahrung erwartet werden kann, dass sich eine Wirkung in der gewünschten Richtung einstellt. Schließlich ist es besser, überhaupt, in der richtigen Richtung, als gar nicht voranzukommen. So empfiehlt es sich beispielsweise, in einer Einführungs- und Trainingsphase zunächst das Erlernen und richtige Durchführen eines Prozesses (Maßnahme) und erst danach Ziele für Zeiten, Kosten oder Effizienz zu vereinbaren.

 

  • Berücksichtigen Sie die vorhandenen Ressourcen!
    Ziele, die reinen Wunschcharakter haben, sind weder realistisch noch motivieren sie die Mitarbeiter. Daher ist ein simultanes Durchdenken von Zielen, Maßnahmen und Mitteln notwendig. Neben realistischen Zielen liefert dieser Ansatz außerdem ein verbessertes Verständnis für Geschäft, Tätigkeit und innere Notwendigkeiten und fördert ganzheitliches unternehmerisches Denken.

 

  • Personalisieren Sie Ziele!
    Wirksame Ziele sind persönliche Ziele. Das heißt hinter jedes Ziel gehört ein Name. Gerade in Organisationen – die definitionsgemäß Kollektive sind – ist es wichtig, Verantwortung zu individualisieren. Natürlich werden Projekte, Maßnahmen und Aufgaben in der Regel von Teams erledigt, aber dennoch muss immer eine Person die Verantwortung dafür tragen.

 

  • Wählen Sie passende Fristen!
    Je schwieriger, risikobehafteter oder unkonkreter die Unternehmenssituation bzw. das damit verbundene Ziel ist, umso kurzfristiger müssen Setzung, Kontrolle und Anpassung von Zielen erfolgen. In solchen Situationen besteht die grundsätzliche Zielrichtung fort, das Management fokussiert sich aber auf den nächsten zu realisierenden oder realisierbaren Schritt – im Extremfall mit Wochen- oder Tageszielen.

 

  • Dokumentieren Sie Ziele schriftlich!
    Ziele müssen schriftlich dokumentiert werden. Das hat nichts mit Bürokratie zu tun, es bedeutet auch nicht mehr Arbeit. Das Gegenteil ist der Fall: präzise formulierte und dokumentierte Ziele bedeuten sogar weniger Arbeit. Denn ein späteres Ausräumen von Missverständnissen, Irrtümern und Kommunikationsschwierigkeiten entfällt. Darüber hinaus sind sie Ausdruck von Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Sie stellen für Mitarbeiter über die gesamte Periode eine Ausrichtungshilfe dar. Und schließlich bilden sie die Voraussetzung für die spätere Leistungsbeurteilung.

 

 

Grenzen der Zielvereinbarung

Ziele dienen dazu, Prioritäten zu setzen, Schwerpunkte zu fokussieren, Richtung vorzugeben und Akzente zu betonen. Diese Betonung rechtfertigt aber erstens nicht, dass die eigentliche Aufgabe insgesamt leidet. Bei rollierenden, periodenbezogenen Zielvereinbarungen ist daher durch laufendes Management sicherzustellen, dass Ziele und Aufgabe erfüllt werden!

Die ebenenbezogen fortschreitende Detaillierung von Zielen trägt zwar dem Anspruch an eine maximale Präzisierung der Ziele Rechnung. Gleichzeitig verliert sich dadurch zweitens aber oft der Bezug zum Ganzen, zum Großen, zum Unternehmensziel. Daher ist es wichtig, bei der Festlegung von Bereichs- oder Abteilungszielen, vor allem aber bei Mitarbeiterzielen darauf zu achten, dass diese auf die obersten Unternehmensziele ausgerichtet und möglichst konsistent mit diesen bleiben. Dem Bezugsverlust kann durch gute Kommunikation und hohe Transparenz der Ziele entgegengewirkt werden.

Beide Effekte – Betonung und Bezugsverlust – können für sich bereits Probleme verursachen und zur Fehlsteuerung führen. Da Zielvereinbarungen jedoch regelmäßig mit Anreizen oder Anreizsystemen (Hebel) verknüpft sind, können die Effekte dadurch deutlich gesteigert oder gar übersteigert auftreten.

Damit die beabsichtigte Wirkung von Zielen und Zielvereinbarungen durch Fehlanreize nicht Potenziale offenlässt oder sich gar ins Gegenteil verkehrt, sind erfahrene Führungskräfte und ein adäquater Managementprozess mit entsprechenden Werkzeugen erforderlich. Sollten Sie hierbei Verbesserungsbedarf in Ihren Managementprozessen vermuten oder erkennen, unterstützen wir Sie gern.