Ist das etwa jetzt schon relevant? Ist das Thema überhaupt schon reif? Ist das nicht noch absolute Zukunftsmusik?
Kürzlich hatte ich in einer Gesellschafterversammlung wieder einmal dieses Thema, das mir auch im Rahmen der Begleitung meiner Kunden als Sparringspartner und Ratgeber regelmäßig begegnet.
So stelle ich mir die Frage: Ist rechtzeitig gleich frühzeitig?
Meiner Erfahrung nach werden
- Anforderungen (z.B. des Marktes oder der Regulierung) dann angegangen, wenn sie schlagend werden oder zumindest nicht mehr abzuwenden sind,
- Konflikte dann adressiert, wenn sie kaum noch zu beherrschen sind, oder
- Optionen dann getrieben und unter Zeitdruck beurteilt, wenn sie als konkrete Opportunität auf dem Tisch liegen.
Dieses „aussitzende“ Verhalten in der Politik wurde durch das Un-Wort des Jahres 2010 „alternativlos“ bestens auf den Punkt gebracht.
Warum denken wir, dass es später auch ausreichend ist?
- weil uns mögliche Optionen unklar sind?
- weil die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Optionen unsicher sind?
- weil kein Wertbeitrag „vager“ Überlegungen erkennbarer ist?
- weil der Leidensdruck zu gering oder die Risikoerwartung zu niedrig ist?
- weil Ressourcen erst dann gezielter einsetzen wollen, wenn alle Anforderungen klar sind (Effizienz)?
- weil es noch immer gut gegangen ist?
NEIN!
Bodo Janssen [Stille] schreibt: „Angst fordert Eindeutigkeit, Sicherheit und Kontrolle. Doch das ist genau das, was das Leben nicht bietet.“
Eine frühzeitigere Befassung mit möglichen Zukunftsoptionen ist in der heutigen, unsicheren Welt wichtiger denn je! Aus meiner Sicht sprechen für eine frühzeitigere Befassung:
- die Wirkhebel sind größer – der notwendige, spezifische Aufwand kleiner.
- es bedarf keiner oder weniger Eskalation.
- die Kosten einer Korrektur sind geringer.
- man kann aus dem Durchdenken von Möglichkeiten lernen (Planung).
- man ist vorbereiteter und kann dadurch dann flexibler und schneller handeln.
- man sichert sich auch gegen Alternativlosigkeit ab.
- das Erkennen der eigenen Gestaltungs-, Einflussnahme- und/oder Adaptionsmöglichkeiten stärkt das Vertrauen in die Gestaltbarkeit der Zukunft.
- für Informationsbeschaffung und grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema (z.B. Vorprüfung) ist nur ein geringer Ressourceneinsatz notwendig.
(Fehl-)Anreize?
Anreize fordern Rationalität und Emotionen gleichermaßen heraus – und lenken sie. Aber in die richtige Richtung? Das anreizmotivierte Erreichen von Zielen sichert den Bonus (= rational) und es stiftet das Gefühl von Erfolg und Wertschätzung (= emotional).
Frühzeitige Aktivitäten wie Screening, Analysieren, Durchdenken oder Planen liefern hingegen typischerweise noch keine konkreten Ergebnisse, weil sie regelmäßig noch keine oder nur kleine Maßnahmen „lostreten“. Aber sind sie nutz-los? Brauchen wir sie überhaupt? Sind sie Ressourcenverschwendung?
Unter dem für Manager typischen Gesichtspunkt der Effizienz werden Fragen wie diese gestellt. Direkt. Und oft auch nicht indirekt – über die Anreizsysteme.
Diese verwandeln langfristig angelegtes, chancenorientiertes oder risikovermeidendes zukunftsgerichtetes Handeln in operatives, möglichst effizientes Management nicht mehr änderbarer Krisensituationen. Und das wird durch die Brille der Anreize dann noch als sinnvolles, gewolltes Handeln erlebt…
Tatsächlich:
- die Wirksamkeit von Handlungen ist besser messbar als die von Überlegungen.
- das Agieren in alternativlosen Situationen ist nicht/kaum angreifbar.
- das Bewältigen von Krisen erhebt und schmeichelt dem Ego.
ABER:
- viele (Fehl-)Entwicklungen wären abkürzbar oder gar vermeidbar.
- das Vermeiden von Krisen spart Zeit, Geld und Nerven.
- das strategische Vorgehen bringt langfristig deutlich größeren Erfolg.
Glaskugel? Nein. Planung!
Günter Wöhe beschreibt Planung als „die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handelns durch Abwägen verschiedener Handlungsalternativen …“ Planung schafft durch die gewonnenen Erkenntnisse Überblick und Vertrauen in die Lösbarkeit von Herausforderungen.
Die Szenario-Planung ist ein Beispiel dafür, dass die frühzeitige Befassung und Planung für wenig Einsatz große Vorteile bietet:
- Untersicherheiten über die Zukunft lassen sich als mögliche Szenarios abbilden, analysieren und bewerten.
- Mit zunehmender Unsicherheit steigt das Risiko von niedrig über mittel auf hoch, dass einzelne Szenarios nicht so eintreffen wie gedacht.
- Bei hoher Sicherheit (Risikoampel: grün) sind Maßnahmen konsequent und schlank umzusetzen. Ein Risiko falsch zu liegen, besteht nicht – Alternativen meist auch nicht mehr.
- Bei mittlerer Sicherheit (Risikoampel: gelb) kann noch keine Umsetzungsentscheidung fallen. Eine günstige Vorplanung lohnt, um schnell und flexibel starten zu können.
- Viele unsichere Szenarios (Risikoampel: rot) schließen Entscheidungen noch aus. Eine früh-zeitige Befassung ermöglicht Erkenntnisvorsprung für kleinstes Geld.
Mein Fazit als Sparringspartner: Die Menschen sind unterschiedlich, haben verschiedene Stärken und persönliche Präferenzen. In der Tendenz würde es aus meiner Sicht aber generell von Vorteil sein, wenn jeder von seiner aktuellen Position aus – wo immer die sich auch auf dem Zeitstrahl befindet – zumindest einen Schritt weiter denkt, als er es heute tut. Das ist weder sonderlich schwer noch sonderlich aufwendig. Aber es lässt uns gelegentlich innehalten und kurz reflektieren. Es richtet den generellen Blick ein winziges Stück mehr nach vorn und weniger zum Boden/zu den Füßen (wo wir aktuell stehen). Das geht schnell und ist nicht so schwer – und man kann sich helfen lassen, z.B. im Sparring.
Wir sollten keine Wunder erwarten, kommen können sie aber (trotzdem)…
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