Worin unterscheiden sich Ratgeber und Sparringspartner von Beratern oder Coaches?

In kniffligen Situationen oder bei besonderen Herausforderungen Außenstehende hinzuzuziehen, ist immer eine gute Idee! Die Frage ist nur: Wer ist der richtige Partner? Brauche ich einen Berater? Hilft mir ein Coach? Bringt mich ein Sparringspartner weiter? Oder suche ich einen Ratgeber? Um das zu entscheiden, ist es wichtig, die Unterschiede zu kennen.

Dabei hilft eine zweifache Unterscheidung:

  • Geht es um ein Business-Thema oder um mich als Person?
  • Handelt es sich um eine konkrete Situation oder um einen Prozess bzw. eine Entwicklung?

Berater oder Coach?

Steht eine konkrete Business-Situation oder -Frage im Fokus, bietet sich ein qualifizierter und erfahrener Berater an. Er stellt seine Expertise, Ka­pazität, Faktenwissen und Methoden situativ oder projektbezogen zur Lösung bereit. Der zentrale Fokus liegt nicht auf Ihnen als Person, personenbezogene Themen bleiben außen vor. 

Ein Coach hingegen ist die richtige Wahl, wenn Sie sich in einer kon­kreten Situation persönlich weiterentwickeln wollen. Der Businessbezug spielt dabei keine oder nur eine geringe Rolle. Der Coach stellt ausschließlich seine Methodik für Sie bereit: Er liefert Impulse zur Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung, gibt jedoch keine direkten Lösungen oder Handlungsempfehlungen vor.

Der Hauptunterschied zwischen Coach und Berater liegt also im Fokus, entweder auf Ihnen als Person oder auf Ihrem Business.

Ratgeber oder Berater?

Auch der Ratgeber wird bei konkreten Herausforderungen oder Fragestellungen hinzugezogen. Im Vergleich zum Berater zeichnet er sich durch einen breiteren Blickwinkel,  mehr Distanz zur reinen Fachlichkeit und echte Unabhängigkeit aus. Während der Berater üblicherweise seine eigene Effizienz und Leistung maximiert, hat der Ratgeber die Verbesserung Ihrer Entscheidungen und Lösungen im Blick. Er arbeitet ausschließlich mit Ihnen und für Sie und ermöglicht so einen Austausch auf Augenhöhe. Dabei erweitert er die konkrete Frage um neue Perspektiven, richtet den Blick auf das große Ganze und lenkt den Fokus auf Chancen. Seine Erfahrungen, Methoden, Impulse und Kontakte bereichern diesen Prozess. Darüber hinaus berücksichtigt der Ratgeber Sie als Person, Ihre Ziele und Bedürfnisse, soweit es die Situation zulässt. So können im begrenzten Rahmen auch Coaching-Elemente einfließen.

Der Sparringspartner

Der Sparringspartner entfaltet seine Wirksamkeit durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Ihnen. Dabei geht es nicht um (nur) einzelne Probleme, sondern um den Prozess des Gestaltens und Wirkens als Ganzes. So können einerseits weitere Themen aufkommen, die analysiert, diskutiert und gelöst werden. Andererseits  kristallisieren sich Muster, Hindernisse oder Chancen heraus und werden angegangen, um Veränderungen anzustoßen und nachhaltige Entwicklungen voranzubringen.

Besonders wertvoll sind der breite Blickwinkel und Erfahrungshorizont des Sparringspartners ergänzt durch seine Expertise, Methodik, Rollenerfahrung und sein Mindset. Hinzu kommen Impulse, etwa zu politischen Zusammenhängen, praktischen Ansätzen oder die Vermittlung hilfreicher Kontakte. Auch er arbeitet ausschließlich mit und für Sie in einem persönlichen Austausch auf Augenhöhe. Dabei nimmt er konsequent – deutlich stärker als der Ratgeber – Sie als Person in den Blick. Denn persönliche und berufliche Herausforderungen bedingen sich häufig gegenseitig. Die paralelle Weiterentwicklung in beiden Bereichen führt zu deutlich höherer Wirk­sam­keit und nachhatigem Erfolg. Ziel der Zusammenarbeit mit einem Sparringspartner ist die aktive Weiterentwicklung von Ihnen als Person und Ihres Businesses sowie die Verbesserung Ihrer Rahmenbedingungen.

Die richtige Unterstützung wählen – auch als Kombination

Anhand dieser Differenzierung sollte die Wahl des richtigen Partners leichter fallen. Das bedeutet jedoch nicht, dass nur eine Rolle in Frage kommt. Je nach Komplexität des Themas kann ein Fachberater unverzichtbar sein. Gleichzeitig kann es sinnvoll oder gar notwendig sein, einen Ratgeber für Reflexionen und Zweitmeinungen sowie einen Coach für spezifische Blockaden einzubeziehen.

Oft sind es festgefahrene Situationen oder konkrete Herausforderungen, die Entscheider zur Unterstüzung durch einen Ratgeber führen. Ist die aktue Krise überwunden, wächst häufig der Wunsch nach einem Sparringspartner, um künftigen Krisen vorzubeugen und langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Ebenso ist es denkbar, dass sich im Laufe des regelmäßigen Sparrings sowohl berufliche als auch persönliche Fragestellungen ergeben. Diese lassen sich dann situativ, außerhalb des Sparrings oder in Verbindung mit ihm, mithilfe eines Beraters oder Coaches gezielt lösen.

Digitalisierung – eine Herausforderung

Der Begriff Digitalisierung ist in der aktuellen Diskussion omnipräsent. Allerdings führt das selten zu Klarheit. Denn auf der einen Seite diskutieren Experten hochspezialisierte, zum Teil nischenbezogene Fachaspekte, während die Behandlung des Themas auf der anderen Seite ziemlich abstrakt und oberflächlich erfolgt. Dadurch bleibt das Thema Digitalisierung für die vielen Betroffenen und Interessierten aber oft zu wenig greifbar. Und genau das – die Greifbarkeit, das Konkrete – ist erforderlich, damit wir zielgerichtet und adäquat damit umgehen können.

Um genau das zu können, benötigen die Betroffenen eine realistische Einschätzung davon, was

  • Wirkung und Bedeutung,
  • Inhalt und Wirkungsweise sowie
  • Implikationen und Folgen

der Digitalisierung sind.

 

Bedeutung der Digitalisierung

Digitalisierung ist allgemein definiert als die Veränderung von Prozessen, Objekten und Ereignissen, die bei einer zunehmenden Nutzung digitaler Geräte und Methoden erfolgt. Im Weiteren (und heute meist üblichen) Sinn steht der Begriff insgesamt für den Wandel hin zu digitalen Geschäftsmodellen, Produkten und Prozessen mittels Informations- und Kommunikationstechnik.

Relevanz und Bedeutung der Digitalisierung leiten sich aus dem enormen Potenzial ihrer Mittel zur Veränderung von Prozessen, Produkten und Geschäftsmodellen her. Das in ihnen enthaltene Produktivitäts- und Disruptionspotenzial verspricht bei dessen Nutzung derart große Wettbewerbsvorteile (Chancen) – während dessen Nichtnutzung entsprechend gravierende Nachteile (Risiken) impliziert –, dass die Digitalisierung auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet wird.

Gleichzeitig durchdringt die Digitalisierung Schritt für Schritt alle Wirtschafts- und immer mehr Lebensbereiche. Das macht damit nicht nur Unternehmen und Manager, sondern letztlich uns alle zu Betroffenen. Die Art und Intensität dieser Betroffenheit hängen davon ab, ob sich unser Betätigungsfeld noch mehr im Bereich der Chancen befindet, die wir durch rechtzeitiges und zielorientiertes Agieren nutzen können, oder bereits mehr im Bereich der Risiken liegt, weil andere schneller oder besser waren und der Abstand zu diesen größer und größer wird.

 

Realistische Einschätzung

Angesichts dieser enormen Bedeutung darf der Blick auf das Thema nicht auf Grund von mangelnder Greifbarkeit verstellt bleiben. Es ist also wichtig, den Begriff Digitalisierung zu ENT-Mystifizieren und dadurch ein realistisches Einschätzen sowie ein zielgerichtetes und zielführendes Befassen zu ermöglichen. Dazu ist zunächst mit einigen Mythen aufzuräumen.

  • Digitalisierung ist nicht neu!
    Den Prozess einer zunehmenden und immer umfassenderen Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik gibt es bereits seit über 30 Jahren. Digitalisierung ist demnach eigentlich bereits ein „alter Hut“. Neu ist allerdings, dass die massiv gestiegene Rechenleistung und die immer weiter fortschreitende Vernetzung gänzlich neue Möglichkeiten wie den Einsatz von maschinellem Lernen (KI) bieten.
  • Digitalisierung ist kein Schicksal, dem man ohnmächtig ausgeliefert ist!
    Der Begriff Revolution mag vielleicht etwas Derartiges implizieren. Aber auch die anderen industriellen Revolutionen haben gezeigt, dass sie vielleicht nicht aufgehalten, aber definitiv gestaltet werden können. Es liegt also an uns Betroffenen, die Mittel, die die Digitalisierung bietet für unsere Ziele auszuwählen und einzusetzen. Dazu werden Lernbereitschaft, Entscheidungswillen und Tatkraft benötigt – mehr aber auch nicht.

Wichtig ist daher die Erkenntnis, dass Digitalisierung keinesfalls ein Selbstzweck ist. Sondern sie ist ein Mittel zum Zweck. Unternehmerischer Zweck sind typischerweise

  • die Steigerung der Produktivität (durch Prozessexzellenz) und
  • die Entwicklung neu­er Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle.

Zweckdienliche Mittel müssen in Bezug auf ihre Eignung (Wirksamkeit) und ihre Verhältnismäßigkeit (Kosten- bzw. Schaden-/Nutzen-Verhältnis) geprüft werden. Nur auf Basis einer solchen realistischen Einschätzung lässt sich ein zielführender, maßvoller und verantwortungsbewusster Einsatz der Mittel der Digitalisierung gestalten.

 

Inhalt und Wirkungsweise

Digitalisierung funktioniert und wirkt in fünf aufeinander aufbauenden Stufen:

  • Die Grundlage bilden die Erfassung und Bereitstellung von Daten der Kunden, Produkte, Anlagen, Zäh­ler, Sensoren und Aktoren. Durch die übergreifende Zusammenführung (Vernetzung) dieser Daten zu einem „Datensee“ entsteht die Möglichkeit, diese multivariat, schnell und flexibel auszuwerten.
  • Aus dieser Datenbasis werden entscheidungsrelevante Informationen generiert und strukturiert. Die Bildung von Key Performace Indicators (KPIs) und Steuerungskennzahlen sowie deren Abbildung in Cockpits gewährleistet die Transparenz der Prozesse und infolge dessen deren Steuerbarkeit.
  • Werden die generierten Informationen gesammelt, analysiert, strukturiert und kontextualisiert – auch unter Einsatz von KI –, kann so Wissen über die Prozesse, die Einflussfaktoren, ihre Stochastik oder ihre Steuerbarkeit aufgebaut werden. Dieses Wissen ermöglicht das Verstehen und Erklären des Gewesenen und ist die Grund­lage für weitere Prozessverbesserungen.
  • Das Erkennen und vertiefte Verstehen der verschiedenen Einflussfaktoren und ihrer Wirkungsweisen ermöglicht eine vorausschauende Mustererkennung und damit die Prognose zukünftiger Zustände und Ereignisse. Durch diese Vorhersagbarkeit des Kommenden oder Zukünftigen kann prädiktiv gesteuert und gehandelt werden.
  • Schließlich lassen sich auf Basis der umfassenden Prozesskenntnis selbstständige Abstimmungen von (Teil-)Systemen oder gar autonome Systementscheidungen (Autonomie) implementieren.

Diese fünf Stufen müssen entsprechend durch Maßnahmen zur IT-Infrastruktur, zur Berücksichtigung des Datenschutzes und zur Informationssicherheit flankiert werden.

 

Implikationen und Folgen

Durch diese Veränderungen haben die künftigen Arbeitsaufgaben immer weniger ausführenden und immer stärker gestaltenden Cha­rakter: Durch die IT-gestützte Automatisierung strukturierter Probleme fokussiert sich die menschliche Tä­tig­keit immer mehr auf die Bearbeitung unstrukturierter Probleme und deren Überführung in strukturierte und damit automatisierbare Probleme. Dadurch ergeben sich neue, anspruchsvolle Arbeitsinhalte, während bestehende wegfallen.

Dieser Wegfall von Arbeitsaufgaben wird künftig verstärkt auch Arbeitsplätze mit mittleren und höheren Qualifikationsanforderungen (Fachkräfte, Studierte) betreffen. Um den Umstieg zu schaffen und die Beschäftigten für die Bewältigung geänderter oder neuer Aufgaben zu befähigen, sind an den neuen Anforderungen ausgerichtete Qualifikationsmaßnahmen erforderlich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benö­ti­gen permanente Ermutigung, neue Wege zu gehen (Kulturwandel, Überwinden alter Denk- und Handlungsmuster). Und das Wirksamwerden dieser Veränderungen benötigt Zeit, die eingeplant werden muss.

Eine weitere Besonderheit der Digitalisierung ist, dass ihr Produktivitätspotenzial nicht nur mit geringeren Kosten im Allgemeinen einhergeht, sondern insbesondere mit äußerst geringen Grenzkosten. Denn die Kosten einer zusätzlichen Einheit (Grenzkosten) eines digitalen oder stark digital getriebenen Produkts liegen quasi oder fast bei null. Sie stellt also eine Null-Grenzkosten-Technologie [vgl. Jeremy Rifkin: Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft] dar. Das hat den Effekt einer sehr hohen Markteintrittsbarriere (Entwicklungs- und Kapitalkosten), die mit gigantischen Skaleneffekten (keine Grenzkosten) und damit immensen Wettbewerbsvorteilen verbunden ist. Dies bevorteilt große, kapitalstarke Marktteilnehmer und kann zu Oligopolen oder gar Monopolen führen. In der aktuellen Zeit niedriger Zinsen und einer historisch hohen Geldmenge führt dies zu einer Billiggeld-Schwemme. Damit herrschen beste Bedingungen, um in entsprechende Kapitalstöcke zu investieren. Die hohen Produktivitätspotenziale führen letztlich zu einem deutlich intensiveren Wettbewerb und einem steigenden Konsolidierungsdruck.

Angesichts dessen wird evident, dass sich die Anforderungen an Mitarbeiter, Führungskräfte, Organisation und Kultur verändern. Digitaler Wandel bedeutet also nicht nur einen Prozesswandel, sondern ebenfalls einen Werte-, Führungs-, Kommunikations- und Strategiewandel! Dafür ist sowohl ein ausgeprägtes Technologie- als auch ein entsprechendes Change-Verständnis erforderlich. Die Bewältigung der digitalen Transformation ist damit zuvorderst auch eine Führungsaufgabe!

 

Zielgerichtetes und schrittweises Vorgehen

Eine erfolgreiche digitale Transformation darf sich deshalb nicht nur auf die Technik konzentrieren, sondern muss immer zwei Stoßrichtungen beinhalten:

  • Veränderungen im Arbeitssystem (Optimierung der Prozesse, Einsatz digitaler Technologien) und
  • Veränderungen am Arbeitssystem (Kultur, Führung, Organisation und Verhalten).

Die Grundlage für ein zielorientiertes Vorgehen muss eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie bilden, die in die Gesamtstrategie des Unternehmens eingebettet ist. Sie gibt der Veränderung Sinn (Vision), der Organisation Orientierung (Zielrichtung) und sorgt dafür, dass die einzelnen Projekte und Maßnahmen sinnvoll aufeinander aufbauen und ineinandergreifen.

Für deren Umsetzung ist es erfolgsentscheidend, das strategische Konzept in handhabbare Teilprojekte und Einzelmaßnahmen zu strukturieren. Wichtig ist, mit schnell umsetzbaren Einstiegsprojekten frühzeitig und mit überschaubarem Aufwand wertvolle Erfahrungen zu sammeln und Erfolgsbeispiele zu schaffen. Dazu sollten Unternehmen von ihren konkreten Umständen und Ressourcen ausgehen und mit dafür geeigneten Projekten auf Basis bereits vorhandener Ansätze und Lösungsangebote starten. Die Technik der Digitalisierung bietet bereits heute unzählige Möglichkeiten und die notwendigen Mittel. Wichtig ist die schrittweise, konsequente Verfolgung und Umsetzung der abgeleiteten, handhabbaren Teilprojekte und Einzelmaßnahmen auf der Grundlage der ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie als langfristiges Gesamtprojekt.

Ein solches Mammutprojekt erfordert großen Know-how- und Kapitaleinsatz. Man benötigt ein motiviertes und schlagkräftiges Projektteam. Wichtig ist dabei der richtige Mix aus Expertisen und Naturellen. Außerdem muss das Projektteam mit entsprechenden Freiräumen und ausreichender Kapazität ausgestattet sein. Und schließlich sollten das Projekt und das Team durch eine unabhängige Außensicht abgesichert werden. Diese kann möglicherweise nicht vorhandene spezifische Ressourcen (Zeit, Know-how), Erfahrungen (Überblick, Chanceneinschätzung) und Unabhängigkeit für die Potenzial-Beurteilung, die Projektstrukturierung und die Umsetzungsbegleitung zur Verfügung stellen. Dabei unterstützen wir und unsere Partner Sie gern.

 

Weiterführende Links:

Digitalisierung als Mittel zur Pro­zess­exzel­lenz in der Fernwärme – Veränderungen am System (Teil 1)

Digitalisierung als Mittel zur Pro­zess­exzel­lenz in der Fernwärme – Veränderungen im System (Teil 2)

 

Zentrale Bedeutung der Wärmenetze

Besondere Eigenschaften der Netze

In der Historie wurden Netze in der Regel fast ausschließlich als Verbindung von der Gewinnung bzw. Erzeugung auf der einen Seite und dem Kunden (früher oft Abnehmer) auf der anderen Seite betrachtet, mit Ressourcen ausgestattet und gemanagt. Damit wurde das Fernwärmenetz oft zu einer Residualgröße des Assetmanagements.

Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass sich dies ändern kann und wird. So ist das Stromnetz inzwischen die zentrale Wertschöpfungsstufe: sie steuert die anderen Wertschöpfungsstufen und in ihr wird Geld verdient. Die Eigenschaften, die das Netz (also die Verteilung) besonders machen und zunehmend Vorteile generieren, sind

  • die Inputflexibilität und
  • die übergreifende Steuerbarkeit.

Inputflexibilität bedeutet, dass es für die Vorsorgung(ssicherheit) und den Netzbetrieb weitgehend unerheblich ist, aus welcher Quelle die Energie kommt. Entscheidend ist nur, dass zentrale Parameter wie Spannung und Frequenz, Methangehalt und Druck oder Temperaturniveau eingehalten werden müssen. Diese Eigenschaft ermöglicht letztlich auch die Sektorkopplung.

Die übergreifende Steuerbarkeit basiert auf der Verbindung der Netze mit jedem Einspeiser, jedem Ausspeiser und jeder Netzanlage. Ihr Grad hängt dabei von der Automatisierung der Netze ab. In Zeiten der Digitalisierung wird diese allerdings mit Nachdruck vorangetrieben, um das Ziel intelligenter Netze (smart grids) zu erreichen.

Im Falle von Wärmenetzen (wie auch bei Gasnetzen) kommt noch eine weitere Eigenschaft hinzu, die insbesondere vor dem Hintergrund der Anforderungen der Energiewende und der Energiemärkte (Flexibilisierung) von Vorteil ist:

  • die Speicherfähigkeit.

Die Speicherfähigkeit resultiert aus der Variabilität der Vorlauftemperatur (innerhalb der technischen Grenzen): durch temporäre Überhöhung der Vorlauftemperatur ΔTÜ (= TVLÜ TVL) lässt sich die Kapazität des Netzes zeitlich begrenzt steigern. Damit können Wärmenetze zusätzliche, künftig gefragtere Eigenschaften bieten.

 

Besonderer Nutzen dieser Eigenschaften

Heutzutage ist die Energieversorgung – und damit auch Fernwärme und Fernwärmenetze – von vielen, anspruchsvollen Anforderungen und Entwicklungen betroffen. Stichworte sind beispielweise:

  • Dekarbonisierung,
  • Digitalisierung,
  • Dezentralisierung,
  • Flexibilisierung,
  • Energieeffizienz usw.

Der Druck, der politisch aus den Klimazielen erwächst, hat dafür gesorgt, dass nicht nur die Bedeutung des Wärmemarktes für die Energiewende (Wärmewende) endgültig in der Politik angekommen ist. Sondern auf Grund ihrer besonderen Eigenschaften rückt auch die dafür zentrale Rolle der Wärmenetze zunehmend in den Fokus:

  • Die Inputflexibilität des Wärmenetzes ermöglicht die schrittweise Umstellung aller angeschlossenen Wärmekunden (Arealversorgung) auf CO2-arme oder -freie Energien. Das bedeutet, das Wärmeversorgungsunternehmen ist einziger Ansprechpartner für Anteilseigner (oft Kommune oder Region), Stakeholder und Politik und setzt dies in Eigenverantwortung um. Im Falle der kundenbezogenen Objektversorgung hat die Politik hingegen jeden Eigentümer (und oft Wähler) einzeln als Ansprechpartner.
  • Die Speicherfähigkeit des Wärmenetzes, ggf. ergänzt durch reine Wärmespeicher, ermöglicht durch die Entkopplung von Wärmebereitstellung und Wärmebedarf einerseits die Glättung des Lastganges. Andererseits wird dadurch aber auch die Integration fluktuierender Energiequellen (z.B. Solarthermie) möglich. Über die Sektorkopplung können so ebenfalls Überschüsse aus der Stromproduktion durch Wind und Photovoltaik sinnvoll genutzt werden.

Daher sieht das ifeu im Rahmen der „Wärmewende 2015, 2030, 2050“ die Bereitstellung von Wärmeinfrastruktur als eine zentrale Handlungsoption.

Dieser längst überfällige Zuwachs an Wahrnehmung führt auch zu steigenden Erwartungen, insb. an den Beitrag zum Klimaschutz.

 

Rahmenbedingungen für Netzmaßnahmen

Allerdings sind die Rahmenbedingungen über die genannten Anforderungen hinaus heutzutage immer weniger verlässlich oder klar. Das heißt, mögliche und zu be­rücksichtigende Szenarios nehmen in Vielzahl und Vielfalt und Veränderungsgeschwindigkeit zu. In dieser Situation ist die für Maßnahmen mit hoher und langer Kapitalbindung erforderliche Planungssicherheit kaum oder nicht gegeben.

Nichtsdestotrotz haben aber gerade Wärmenetze auf Grund ihrer ersten besonderen Eigenschaft, der Inputflexibilität, in Bezug auf Szenarioabhängigkeit und Risikoposition in diesem Zusammenhang Vorteile gegenüber anderen Wertschöpfungsstufen: In der aktuellen Situation stellt jede Entscheidung für eine Erzeugungsanlage eine durchaus riskante Wette auf die zukünftigen Rahmenbedingungen (Kohleausstieg, CO2-Preis, KWK-Förderung, Brennstoffverfügbarkeit usw.) dar. Auf Grund der Inputflexibilität des Wärmenetzes besteht für Netzmaßnahmen eine deutlich geringere Szenarioabhängigkeit und damit ein viel geringeres Risiko. Das bedeutet eine höhere Zukunftssicherheit des Netzes im Vergleich zu einzelnen Erzeugungsanlagen.

Demzufolge implizieren nicht nur die wachsende Bedeutung des Wärmenetzes und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen einen stärkeren Fokus des Asset­managements, sondern ebenfalls die bessere Planbarkeit und das geringere Risiko netzbezogener Maßnahmen. Und auch die Politik kann in der aktuellen, erzeugungsbezogenen Orientierungsphase diese Erkenntnisse nutzen und die Rahmenbedingungen für Wärmenetzmaßnahmen verbessern …